Haben Sie die Titelstory „Folgen der Digitalisierung: Was die Digitalisierung mit uns macht“ in der aktuellen absatzwirtschaft-Sonderausgabe zur dmexco 2015 gelesen? Haben Sie sich auch gefragt, was die Grafik „Maslow im Webzeitalter“ auf der Seite 45 in dieser Story eigentlich macht, wo doch mit keinem Wort auf sie eingegangen wird? Nun, sie ist einfach wieder in. Deshalb wird sie abgebildet, so wie man Fahrräder in Wohnzeitschriften zeigt.
Ich möchte Ihnen hier mehr über die Maslowsche Pyramide erzählen.
Die Wiederentdeckung von Abraham H. Maslow
Lange galten Maslow und seine Bedürfnis-Pyramide als veraltetes Fachwissen. Das war es jedoch nie. Der Grund liegt in seinem Forschungsgegenstand begründet, dem Menschen. Der verändert sich nämlich viel langsamer, als viele glauben. Und da das Marketing nach vielen Jahren der Irrungen und Wirrungen sich wieder dem Menschen, dem Kunden, als Touchpoint und Treiber des Unternehmenserfolges zuwendet, treten auch menschliche Bedürfnisse und die Motivforschung wieder ins Zentrum der Arbeit. Die Digitalisierung dynamisiert diesen Prozess und lässt ihn messbar werden.
Abraham H. Maslow gehört neben Carl R. Rogers und Erich Fromm zu den wichtigsten Vertretern der Humanistischen Psychologie. Er verstarb 1970. Sein wichtigstes Thema war die Motivforschung. Seine Psychologie die „Vollmenschlichkeit“, als Bestandteil der seelischen Gesundheit. Sein wohl bekanntestes Schaubild ist noch immer die überall im Internet zu findende „Maslowsche Bedürfnispyramide“. Auch wir haben uns von ihr anregen lassen und sie für unser „Praxisbuch Franchising Konzeptaufbau und Markenführung“ (Bellone/Matla, 2010, mi-Wirtschaftsbuch, Münchner Verlagsgesellschaft) für die Franchisewirtschaft weiterentwickelt.
Schnelleinstieg in die Digitale Bedürfnispyramide
Als langjähriger Maslow-Fan möchte ich Ihnen deshalb an dieser Stelle einen Schnelleinstieg in die Digitale Bedürfnispyramide vorstellen:
1. Physiologische Grundbedürfnisse
Auch 2015 haben Menschen, wie schon im 19. Jahrhundert, physiologische Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung usw. Im Zeitalter der Digitalisierung werden Befriedigungen dafür per Homepage oder Smartphone-App schnell und bedürfnisgerecht geordert und per E-Bike-Bringdienst und Home-Delivery sofort geliefert. Digitale und physische Welt werden dabei zielgerichtet und konsistent zur optimalen Bedürfnisbefriedigung der Kunden vernetzt.
2. Sicherheitsbedürfnisse
In zunehmendem Maße treten im digitalen Zeitalter Sicherheitsbedürfnisse hervor. Einerseits auf Seiten der Anbieter: Wie können Banken, Versicherungen, Rechtsanwälte, Krankenkassen, Ärzte, Dating-Plattformen und Bringdienste sicherstellen, dass die Mandanten-, Patienten- und Kunden-Daten nicht manipuliert oder geraubt werden? Andererseits auf Seiten der Kunden: Wie sicher können sich Kunden fühlen, wenn sie eigene persönliche Daten, Sachverhalte, Gesundheitszustände und Vorlieben über technische Tools preisgeben?
3. Soziale Bedürfnisse: Nicht nur die Social Media, auch Blogs und Foren leben von den sozialen Bedürfnissen ihrer Nutzer/innen. Gerade im digitalen Zeitalter wächst das Bedürfnis dazuzugehören, teilzuhaben und nicht ängstlich abseits zu stehen (siehe auch Fritz Riemann: Die vier Grundformen der Angst). Und zwar immer. Darauf basieren auch die Nachrichten Push-Dienste, die Menschen veranlassen aufs Handy zu schauen. Das tun sie sowieso alle maximal sechs Minuten, wie neuste Forschungen zeigen.
4. Ich-Bedürfnisse: Achtung, Ansehen, Prestige und Status sind besonders im digitalen Zeitalter die Treiber, die Menschen veranlassen maximale Follower- und Freundes-Zahlen zu generieren. Ansehen und Status werden heute sowohl durch Hardware (Smartphones, Tablets, Digitaluhren), als auch digital erzeugt.
5. Selbstentwicklung und Selbstverwirklichung: Die Digitalisierung ermöglicht, wie keine Innovation zuvor, sich selbst zu bilden und weiterzuentwickeln. Weltweite Informationen stehen 24/7/365 zur Verfügung. Und auch die Crowdfunding-Plattformen sind hiervon ein Teil.
Wer richtig in die Maslowsche Materie einsteigt, wird übrigens entdecken, dass Abraham H. Maslow weitere Ebenen der Bedürfnisse definiert hat. Heute gute Erklärungen für menschliches Verhalten, eine Anleitung zur Positionierung und zum Aufbau digitaler Marken sowie Treiber der Digitalisierung.
Thomas Matla, Brand Marketing Consultant © 21.09.2015