Die Auto-Industrie kommt einem bestimmt nicht als erstes in den Sinn, wenn man über nachhaltige Geschäftskonzepte und Marken nachdenkt. Schließlich trägt sie weltweit, mit ihrer Konzentration auf den reinen Produktabsatz, zu immer größerer Bodenversieglung, zu Energie- und Ressourcenverbräuchen sowie zu zunehmenden CO2- und Lärmbelastungen bei und gefährdet, durch von Menschen verursachte Unfälle, noch immer das gesellschaftliche Zusammenleben. Dennoch stehen auf der anerkannten „Best Global Green Brands 2014“, durchgeführt von Interbrand und Deloitte, die Automarken Ford, Toyota, Honda und Nissan auf den Plätzen eins bis vier der nachhaltigsten globalen Marken. Wie ist das zu erklären?
IKEA landete übrigens auf Platz 19, Starbucks auf Platz 37 und McDonald`s auf Platz 43. Die von Interbrand seit 2011 jährlich durchgeführte 50 Best Global Green Brands-Studie erfolgt auf Basis der ebenfalls von Interbrand ermittelten 100 Best Global Brands (Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen: Brand Strength, Brand Value/Brand Equity) und untersucht, wie stark Unternehmensmarken nachhaltig agieren und es ihnen gelingt ihre Nachhaltigkeitsbemühungen auch den Verbraucher/innen glaubhaft zu vermitteln.
Lücke zwischen Tun und Kommunizieren
Für Interbrand ist dabei interessant, ob ein Gap, eine Lücke, vorhanden ist, zwischen den Nachhaltigkeits-Anstrengungen der Unternehmen und der Wahrnehmung der Verbraucher/innen. Nach Interbrand ist eine Marke dann am stärksten, wenn Nachhaltigkeits-Bemühungen und deren Wahrnehmung in gleicher Weise übereinstimmen. Ist das Gap positiv, wird mehr getan, als kommuniziert. Ist es negativ, wird mehr kommuniziert, als getan. Im positiven Fall tut das Unternehmen viel, vergibt aber auch Wahrnehmungschancen, weil die Nachhaltigkeitsleistungen nicht von den Konsumenten bemerkt werden. Im negativen Fall wird verhältnismäßig wenig getan, dafür überkommuniziert, mit der Gefahr der Unglaubwürdigkeit und des Greenwashings.
Nachhaltigkeit ist essentiell für Markenerfolg
Morgan Cassidy, CEO Interbrand Central und Eastern Europe, sagt dazu in unserem Buch Green Franchising: „Nachhaltigkeit kann essentiell sein für den Erfolg einer Marke, daher sollte sie unbedingt Teil eines umfassenden Programms sein und nicht einfach nur eine kurzfristige von der Unternehmensstrategie losgelöste Initiative.“ Und weiter: „ Am erfolgreichsten sind die Marken, die die Wichtigkeit nachhaltiger Unternehmensführung klar erkannt haben und die ihre „grünen“ Aktivitäten als integralen Bestandteil ihrer Unternehmenstrategie aktiv leben.“
(Quelle: Green Franchising, Bellone/Matla, Münchner Verlagsgruppe, ISDN Print: 978-3-86880-137-8, ISDN E-Book (PDF): 978-3-86416-109-4)
Doch warum landen gerade Automobil-Hersteller auf den ersten Plätzen? Obwohl sie überwiegend noch immer verstärkt dafür sorgen, dass mehr und mehr Autos weltweit auf die Straßen kommen, anstatt die Fahrzeugauslastung durch Car-Sharing oder Way-Sharing wesentlich zu erhöhen und mit Vernetzungsmaßnahmen einer Verkehrsverdichtung in den Ballungszentren entgegenzuwirken?
Automobil noch immer Symbol der Freiheit
Offensichtlich ist das Auto noch immer für den größten Teil der Weltbevölkerung ein hochemotionales und anziehendes Symbol der Freiheit und ein Zeichen dafür, sich aus der Masse herausheben zu können. Und die Autoindustrie hat es bisher durch technische Innovationen und einen massiven Werbedruck geschafft, den Hauptkritikpunkt gesellschaftlicher Anspruchsgruppen, den Verbrennungsmotor, zu optimieren oder durch eine Hybrid- und Elektro-Antriebstechnik zu ersetzen und nachhaltig zu kommunizieren. Das scheint für die meisten Käufer/innen Gewissensberuhigung genug. Zumal die neue Technik in anspruchsvollem Purpose Design demonstrativ konsumiert werden kann. Technische Innovationen in faszinierendem Design scheinen die Killerapplikation für Nachhaltigkeitsbedenken zu sein. Denn in der Autoindustrie geht es tatsächlich zukünftig weiterhin um mehr Individual-Produktabsatz, nur eben WLAN-vernetzt und mit Computern ausgestattet, trotz Ökobilanz und Verbrauch seltener Mineralien. Recyclierbarkeit oder gar vernetzte Mobilitätskonzepte, eingebunden in neue Stadtraumgestaltung, muss man weiterhin suchen.
Kann man von grünen Automarken lernen?
Ja, wenn Auto-Hersteller es an die Spitze der weltweit grünen Marken schaffen, gibt es etwas, dass wir von ihnen lernen können. Zum Beispiel, dass Nachhaltigkeit Sichtbarkeit braucht. Man muss über die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen adäquat berichten.
So sollten nachhaltige Marken ihren gesellschaftlich und bedürfnisorientiert relevantesten und akzeptierten Nachhaltigkeitsbereich im eigenen Geschäftskonzept und –Angebot herausdestillieren, dafür innovative Lösungen entwickeln und diese konsequent umsetzen, leben und kommunizieren, eingebettet in eine nachhaltige Unternehmensstrategie.
Nicht übernommen werden sollte die enge Konzentration auf die Produktherstellung. Denn es sind zunehmend Management-Lösungen, die gefragt sind, wie das Mobilitätsmanagement (Flugzeug, Bahn, Bus, Fahrrad-Verleih, Leasing, Car-Sharing, Way-Sharing).
Übrigens, es gibt sie, neue, nachhaltige Stadtentwicklungen, die ökonomisch, ökologisch, kulturell und sozial ganzheitlich gedacht werden, wie das größte Entwicklungsgebiet der Schweiz, Glattpark in Opfikon, in der Agglomeration von Zürich (http://www.glattpark.ch/).
Thomas Matla, Brand Marketing Consultant © 08.04.2015